Dax im Aufwind

Dr. Martin Moryson

Schaut man in deutsche Tageszeitungen, könnte man das Gefühl bekommen, die Welt ginge hierzulande unter. Eine Wirtschaftsnachricht schlechter als die andere. Wie passt die unglaublich starke Entwicklung des deutschen Aktienindex DAX dazu?

Derzeit haben nicht nur der Dax, sondern europäische Aktien insgesamt einen guten Lauf. Seit Jahresanfang halten sie sogar fast mit US-Aktien mit, trotz deren dominierender Tech-Werte. Wie lange so etwas anhält, ist naturgemäß immer schwer vorherzusehen, aber für diese Entwicklung gibt es unserer Meinung nach gute Gründe. Einer davon ist der Umstand, dass die Lage in der Vergangenheit viel zu schlecht eingeschätzt wurde. So findet der häufig beklagte Niedergang der deutschen Industrie in der Wertschöpfungsstatistik kaum einen Niederschlag. Die deutsche, und eigentlich die gesamte europäische Industrie, hat zwei wirklich existentielle Krisen in kurzer Folge – die Corona-Pandemie und die Gaspreisexplosion – mit erstaunlicher Resilienz weggesteckt.

Aktuelle Indikatoren zeigen inzwischen an, dass sich die weltweite Rezession des Verarbeitenden Gewerbes dem Ende entgegenneigt. Die hohen Lagerbestände an Fertigwaren sind weitgehend abgebaut und sollten für Nach- und Neubestellungen sorgen. Davon dürfte auch die deutsche Industrie profitieren – schließlich erwirtschaften deutsche Dax-Unternehmen über 80 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Für die Dax-Unternehmen ist die Entwicklung der Weltwirtschaft ohnehin viel wichtiger als jene in Deutschland. Aber auch zuhause hellt sich die Lage langsam auf. Die jüngsten Daten des ifo-Index legen das Erreichen auch der heimischen Talsohle nahe. Die Zahlen zum deutschen Bruttoinlandsprodukt zeigen, dass die Wirtschaft wieder Tritt gefasst hat, obwohl die privaten Konsumausgaben immer noch gebremst haben.

Auch die Konsumentenlaune verbessert sich, wenngleich langsam. Noch halten sich die Konsumenten zurück, aber inzwischen blicken viele, insbesondere was ihre persönlichen Finanzen anbelangt, wieder positiver in die Zukunft. Das sollte sich früher oder später auch im Kaufverhalten niederschlagen. Wir gehen daher davon aus, dass sich das Wachstum in Deutschland weiter beschleunigen wird. Allerdings werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Das Potentialwachstum liegt in Deutschland bei rund einem halben Prozent. Hauptbremser sind die schwache Demografie und das schwache Produktivitätswachstum.

Was heißt das für den Anleger?
Es sollte trotz der jüngsten positiven Wertentwicklung des Dax immer Aufholpotential geben. Hier ist zwar eine gewisse Vorsicht geboten, weil deutsche Aktien in letzter Zeit ihren Rückstand teilweise abgebaut haben, aber unserer Meinung nach sind die Abschläge für europäische Aktien gegenüber amerikanischen immer noch zu hoch. Dies gilt insbesondere für kleinere und mittelgroße Unternehmen. Man sollte aber nicht nur auf den Dax schauen, sondern sich breiter aufstellen, über verschiedene Unternehmen verschiedener Größe in ganz Europa.

Newsletter vom 08. Mai 2024

Dr. Martin Moryson – Chefvolkswirt Europa
DWS

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